Österreichs grüne EU-Spitzenkandidatin: Wirbel um Polit-Quereinsteigerin

Ex-Klimaaktivistin Lena Schilling sollte das Zugpferd der Grünen für die EU-Wahlen werden. Nun gerät sie wegen privater Ungereimtheiten unter Druck.

Lena Schilling vor Banner "Unsere Zukunft"

Im Januar galt die „österreichische Luisa Neubauer“ Lena Schilling noch als Supercoup der österreichischen Grünen für Europa Foto: dpa

WIEN taz | Mit 23 Jahren ist sie die jüngste Spitzenkandidatin Österreichs für die EU-Wahlen am 9. Juni. Und die einzige weibliche: Lena Schilling. Bekannt wurde sie 2019 als Aushängeschild von Fridays For Future Austria und durch die Autobahn-Baustellenbesetzung „Lobau bleibt“. Zuletzt trat sie nicht mehr als Aktivistin in Erscheinung, kritisierte auch die Klebe- und Museumsaktionen anderer Gruppen.

Nachdem Schilling im Februar bekannt gegeben hatte, für die Grünen bei der Europawahl zu laufen, wurden ihr gute Chancen eingeräumt. Aber nun machte der Standard schwere Vorwürfe bekannt. Schilling soll in ihrem persönlichen Umfeld Unwahrheiten über andere erzählt haben, die teils existenzbedrohend gewesen seien. So habe sie Affären mit und Belästigungen durch Journalisten erfunden.

Der Bericht stützt sich auf „wochenlange Recherche und Gespräche mit rund 50 Personen“, wie die Zeitung schreibt. Da jedoch alle anonym zitiert werden und sich viele der Vorwürfe im persönlichen Umfeld Schillings abspielen, hinterlässt der Bericht viele Fragen.

Nicht zur Aufklärung beigetragen hat Schilling selbst, die in einer eilig einberufenen Pressekonferenz nicht inhaltlich auf die Vorwürfe einging. „Ich lasse mich davon nicht aus dem Konzept bringen.“ Und weiter: „Nichts davon hat im Entferntesten mit Politik zu tun.“ Auf Nachfrage, was an der Standard-Recherche falsch sei, wich sie aus. Auch der ebenfalls versammelten grünen Parteispitze ging es allem Anschein nach weniger um Aufklärung als um das Signal, weiter an Schilling festzuhalten. Der grüne Vizekanzler Werner Kogler spielte die Vorwürfe als „anonymes Gemurkse und Gefurze“ herunter.

Schilling sagt nichts

Der bisher stärkste Kritikpunkt: Schilling habe über ein befreundetes Ehepaar, Sebastian und Veronika Bohrn Mena, Falschaussagen verbreitet – unter anderem zu einer angeblichen Fehlgeburt infolge häuslicher Gewalt. Die Angelegenheit wurde am 12. April per prätorischem Vergleich gelöst. Schilling habe die Gebühren und Gerichtskosten dafür, rund 1.600 Euro, selbst bezahlt, heißt es von den Grünen.

Im Gespräch mit der taz sagt Veronika Bohrn Mena, dass sie Schilling seit sechs Jahren kenne. Sie seien über ein gemeinsam unterstütztes Tierschutzvolksbegehren in Kontakt gekommen. Schilling saß zeitweise im Beirat von Bohrn Menas Gemeinwohlstiftung COMÚN – und wurde zur Freundin. Bis Bohrn Mena erfuhr, dass Schilling offenbar Falsches über sie verbreitete.

Schilling selbst ließ eine Anfrage der taz unbeantwortet. Von den Grünen heißt es, ihre Äußerungen seien „aus Sorge um eine Freundin in ihrem engsten persönlichen Umfeld getätigt worden“. Und weiter: „Schilling bedauert die entstandenen Kränkungen.“

Wie dies alles dann den Weg in die Öffentlichkeit fand, weiß Bohrn Mena laut eigenen Angaben nicht. Die Grünen vermuten eine Schmutzkübelkampagne. Hinweise darauf gibt es bislang aber nicht. Viele Beobachter rechnen damit, dass sich noch mehr Betroffene zu Wort melden werden. Klar ist: Der bisher verschlafene EU-Wahlkampf in Österreich ist aufgewacht.

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